#tvn2020: Wir haben viel erreicht – aber der Kampf geht weiter!

03.11.2020

„Wir haben eindrucksvoll gezeigt, wozu wir gemeinsam fähig sind. Ein gemeinsamer bundesweiter Streiktag hat das Land zum Stillstand gebracht. Eine Woche der Wellenstreiks hat das untermauert. Wir und unsere Arbeitsbedingungen waren wochenlang Thema in den Medien – trotz der zeitgleichen Tarifauseinandersetzung im öffentlichen Dienst. Alle wissen vom Fachkräftemangel und dass Entlastung überfällig ist. Wir haben Bündnispartner*innen gefunden und klargemacht, dass der ÖPNV mehr Geld braucht. Das ist jetzt gesetzt..“

Eine besondere Kampagne in besonderen Zeiten

Am 29. September 2020 stand das Land in weiten Teilen still. Die 87.000 Beschäftigten in kommunalen Nahverkehrsunternehmen haben erstmals nach über 20 Jahren gleichzeitig in allen Betrieben gestreikt. Nicht nur die Busse und Bahnen standen still. Mit dem Stillstand des ÖPNV machten verstopfte Straßen deutlich, dass das Verkehrssystem in vielen Städten kurz vor dem Kollaps steht. Die Arbeitgeber hatten zuvor in alter Manier versucht, die Beschäftigten einzuschüchtern. Statt die Forderungen ernst zu nehmen, sprachen sie davon, dass jetzt in der Pandemie nicht die Zeit für Verbesserungen sei. Es gehe jetzt um Beschäftigungssicherung und wer seinen Arbeitsplatz in der Krise behalten wolle, der müsse auf Verbesserungen verzichten können. Doch die Zeit des Verzichts ist vorbei. Seit 20 Jahren haben die ÖPNV-Beschäftigten Verzicht geübt. Mit Verweis auf die klammen Kassen der Kommunen, mit der Drohung der Privatisierung wurden massive Einsparungen auf dem Rücken der Beschäftigten durchgesetzt. Sie bezahlten die Verantwortungslosigkeit der Politik in Bund, Ländern und Kommunen mit überlangen Schichten, mit unbezahlter Arbeit und schließlich mit ihrer Gesundheit. Krankenstände von über 10% sind keine Seltenheit in den Betrieben und solange der Laden eben noch läuft, wurde die Zitrone weiter ausgepresst. Deshalb war klar: Auch in der Corona-Krise gibt es für uns keinen Spielraum für Aufschub und Verzicht. Es muss sich etwas ändern, und zwar jetzt.

Die erste Veränderung gab es bei den Streiks selbst. Aufgrund der Pandemie konnten keine größeren Kundgebungen stattfinden, stattdessen gab es an vielen Orten Unterstützung für die Streikposten Fridays For Future und anderen Unterstützer*innen. Nachdem in den Monaten zuvor die Bündnisse gestrickt worden waren, kam es nun zum gemeinsamen Auftritt: Die Klimagerechtigkeitsbewegung sieht die Verbesserung der Arbeitsbedingungen als Teil der Verkehrswende und solidarisierte sich mit dem Tarifkampf der ÖPNV-Beschäftigten. Zusammen bestritten wir zwei Verkehrswendetage (14.8. und 18.9.), viele ÖPBV-Beschäftigte nahmen am weltweiten Klimaaktionstag am 26.9.20 teil. Die gegenseitige solidarische Unterstützung hat ein Fundament gelegt, auf dem das weitere gemeinsame Streiten für eine soziale- und ökologische Verkehrswende aufgebaut werden kann.

Wo steht die Tarifbewegung #tvn2020 zum Ende des Jahres?

Die Verhandlungen fanden auf zwei Ebenen statt: Die Landestarifkommissionen hatten Forderungen an die regionalen Kommunalen Arbeitgeberverbände (KAVen) aufgestellt. Zudem wurde eine bundesweite Verhandlungskommission gegründet, die forderte, dass ein Teil der tariflichen Regelungen in einem bundesweiten Rahmentarifvertrag vereinheitlicht werden soll und zudem bundesweit Verbesserungen in Sachen Entlastung und Arbeitszeit durchgesetzt werden sollen. Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) weigerte sich allerdings bis zuletzt, in Verhandlungen um einen bundesweiten Tarifvertrag einzutreten. Diese Blockadehaltung kam nicht überraschend und konnte die Landes-Tarifkommissionen nicht daran hindern, ihre Forderung nach einheitlichen Regelungen dennoch zu verfolgen. In vielen Bundesländern wurden Schritte zur Angleichung der Arbeitsbedingungen erreicht, wie 30 Tage Urlaub, Erhöhung der Sonderzahlung, Nachwuchsförderung und weitere Entlastungsregelungen. Zudem erreichten die Kolleg*innen in den Landesverhandlungen viele weitere Verbesserungen. (Alle Abschlüsse in den Ländern finden sich hier) Das Thema bundesweiter Rahmentarifvertrag ist keineswegs vom Tisch. Nach der Zuspitzung der Arbeitskämpfe hat sich die Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA) bereiterklärt mit Blick auf die nächste Tarifrunde in Gespräche einzusteigen, wie eine Lösung für die bundesweite Angleichung der Bedingungen zukünftig erreicht werden kann. Doch nicht nur deshalb ist die Tarifbewegung nicht am Ende angelangt. In Bayern, Bremen, Saarland, Sachsen-Anhalt und Berlin wurden unter dem Eindruck der Pandemie kurzlaufenden Tarifabschlüsse verabredet. Im Frühjahr 2021 gehen dort die Verhandlungen weiter.

Und noch eine Auseinandersetzung hat gerade erst angefangen: Wir wollen erreichen, dass die Politik handelt. Wir brauchen Investitionen in den Ausbau und für die Beschäftigten, Daher fordern wir einen ÖPNV-Gipfel. Gerade in diesen Krisenzeiten muss zukunftsweisend investiert werden und der ÖPNV ist die Zukunftsbrache im Verkehrssektor!